1. Was ist Rückversicherung?

„Rückversicherung ist die Versicherung der von dem Versicherer übernommenen Gefahr" (§ 779 Abs. 1 HGB)

also die

„Versicherung der Versicherer auf dem Prinzip der Risikoaufnahme und Risikoverteilung".

Diese beiden Definitionen zeigen bereits die Kernpunkte der Rückversicherung auf. Rückversicherer versichern die „Erst"-Versicherer, indem sie sich an den von diesen übernommenen Risiken beteiligen. Unter einem Erstversicherer versteht man eine Versicherungsgesellschaft, die in einem direkten Vertragsverhältnis zum Kunden (Privatperson, Unternehmen, Organisation) steht und seine Risiken gegen eine Versicherungsprämie übernimmt. Die Handlungskette der Risikoaufnahme und -verteilung beginnt somit dadurch, dass ein Erstversicherer mit seinen Kunden einen Versicherungsvertrag über ein Risiko abschließt. Für dieses Risiko oder auch eine zusammengefasste Gruppe gleichartiger Risiken kann der Erstversicherer anschließend bei einem oder mehreren Rückversicherern eine Rückdeckung nachfragen. Kunden der Rückversicherer sind ausschließlich Versicherungsunternehmen - Privatpersonen können sich hingegen nicht bei einem Rückversicherer versichern.

Risikoverteilung als Grundprinzip

Kommt ein Versicherungsvertrag zwischen Erst- und Rückversicherer zustande, übernehmen die Rückversicherer im Falle eines Schadens einen vertraglich definierten Anteil der entstehenden Aufwendungen. Es ist durchaus üblich, ein Risiko nicht nur auf einen Rückversicherer, sondern auf eine Gruppe von Rückversicherern zu verteilen. Diese Risikoatomisierung ist ein weiteres Grundprinzip der Rückversicherung. Nur durch eine Risikozerlegung und ein Verteilen des Gesamtrisikos auf mehrere Schultern werden viele Gefahren ökonomisch erst versicherbar.

Welche Risiken werden rückversichert?

Stellt man die Frage, welche Risiken sich für eine Weitergabe an die Rückversicherer eignen oder diese sogar erfordern, denkt man zunächst fast zwangsläufig an Großrisiken wie Naturkatastrophen (Erdbeben, Stürme etc.) oder auch anderweitig verursachte Großschäden, wie z. B. einen Flugzeugabsturz. Hier ist es offensichtlich, dass ein solches Risiko eine Schadenhöhe verursachen kann, die ein Versicherer allein nicht tragen kann, sondern unbedingt der Risikoverteilung bedarf. Ähnliches gilt aber auch für kleinere, normalere Risiken. So ist z. B. eine Kraftfahrzeug-Kaskopolice als Einzelrisiko für den Erstversicherer sicherlich zu tragen; allerdings hat dieser gegebenenfalls Tausende dieser Risiken im Bestand, die kumuliert sehr wohl eine Risikohöhe erreichen können, die eine Risikoverteilung mit Hilfe der Rückversicherer notwendig macht. Dieser Fall kann z. B. eintreten, wenn ein Hagelsturm über eine Stadt hinwegzieht und mehrere tausend Autos beschädigt, deren Schäden nun zusammengefasst Millionenhöhe erreichen. Demzufolge kann prinzipiell aus jedem versicherten Risiko die Notwendigkeit zur Atomisierung und der Absicherung durch Rückversicherer entstehen.

Hohe Expertise für die Risikobewertung

Da es auf Seiten des Rückversicherers keine Verpflichtung zur Risikoübernahme gibt und auch Preise und Bedingungen nicht einheitlich festgelegt sind, haben Rückversicherer eine hohe Expertise in der Risikobewertung entwickelt. Ziel ist es, durch hohes Fachwissen ein Risiko richtig einschätzen zu können und zu einer stimmigen Preis-Risiko-Relation zu kommen, die über die Annahme oder Ablehnung des jeweiligen Risikos entscheidet. Hierzu ist es nötig, Fachwissen aus den unterschiedlichsten Bereichen zu vereinen. Dies führte dazu, dass heute in großen Rückversicherungsunternehmen nicht mehr nur Versicherungsspezialisten arbeiten, sondern ebenfalls z. B. Mathematiker, Meteorologen, Mediziner, Ingenieure, Geographen etc..

Innovativer Finanzdienstleister

Die klassische Funktion des Risiko(mit-)trägers ist heute allerdings nicht mehr die einzige Aufgabe der Rückversicherung. In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich die Rückversicherung vielmehr zu einem hochspezialisierten Finanzdienstleister entwickelt. So bieten Rückversicherer heute z. B. Lösungen an, um junge Versicherungsgesellschaften beim kostenintensiven Aufbau ihres Neugeschäfts zu entlasten. Weiterhin werden Versicherungskonstruktionen, die die gesamte Bilanz oder Gewinn- und Verlustrechnung eines Versicherers abdecken - besonders wenn es sich bei diesem um ein börsennotiertes Unternehmen handelt - immer wichtiger. Derartige Konzepte sind oftmals sehr komplex und werden maßgeschneidert für die Belange des jeweiligen Kunden entwickelt. Eine weitere anerkannte Funktion des Rückversicherers ist die Beratung und Unterstützung der Erstversicherer. Mit seiner Expertise kann der Rückversicherer wertvolle Unterstützung z. B. bei der Risikobeurteilung, der Preisfindung oder der Entwicklung neuer Versicherungsprodukte auf der Erstversicherungsseite geben. Alle diese - wenn auch nur kurz angerissenen Beispiele zeigen -, dass ein Rückversicherer heute mehr als ein Risikoträger ist; gefragt sind vielmehr Rückversicherer, die über hohes Know-how im Bereich der Finanzdienstleistung verfügen, den speziellen Bedürfnissen ihrer Kunden angepasste Produkte entwickeln und ihnen überdies als Berater zur Verfügung stehen.

2. Wie ist die Hannover Rück im weltweiten Rückversicherungsmarkt positioniert?

Profitabilität an erster Stelle

Wir agieren primär ertragsorientiert und konzentrieren uns auf die attraktiven Segmente des Rückversicherungsgeschäfts. Wir wollen einer der drei profitabelsten Rückversicherer weltweit sein.

Quantitative strategische Ziele

Es ist unser Ziel, auf mittlere Sicht den Gewinn je Aktie um mind. 6,5 % sowie den Buchwert je Aktie um mind. 7,5 % jährlich zu steigern. Darüber hinaus verfolgen wir das Mindestziel, eine Eigenkapitalrendite von 900 Basispunkten über dem Fünf-Jahres-Durchschnitt der Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen zu erwirtschaften.

Diversifikation: vielseitiger Spezialist mit globaler Ausrichtung

Wir versuchen nicht, jedem alles zu bieten. Wir spezialisieren uns in Segmenten, in denen wir besondere Expertise besitzen. In unseren zwei Geschäftsfeldern Schaden- und Personen-Rückversicherung konzentrieren wir uns auf eine Vielzahl strategisch wichtiger und profitabler Sparten. Traditionelle Rückversicherung wird ergänzt durch innovative strukturierte Deckungen. Diese Diversifizierungsstrategie ermöglicht es uns, ein positives Gesamtergebnis und eine langfristig stabile Geschäftsentwicklung mit dem vorhandenen Eigenkapital zu sichern. Die zusätzliche Risikostreuung nach Regionen und Risikoarten, auch innerhalb der einzelnen Geschäftsfelder und Sparten, macht uns heute zum bestdiversifizierten Rückversicherer der Welt.

Innovatives Kapitalmanagement

Wir betreiben ein aktives Kapitalmanagement. Kernstück unserer Strategie ist es, die Kosten für unsere Kapitalbasis so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund bevorzugen wir, im Rahmen der Toleranzgrenzen der Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen, Hybridkapital und andere Eigenkapitalsubstitute. Dies ist nachrangiges und besonders langfristiges Kapital und im Vergleich zu Eigenkapital zu wesentlich günstigeren Konditionen am Kapitalmarkt erhältlich. Somit unterstützt diese Art der Kapitalbeschaffung gleichzeitig unser Rating und stellt für die Aktionäre eine kontinuierlich hohe Eigenkapitalrendite sicher.

3. Was sind die Vorteile der Diversifizierung?

Diversifizierung führt zu einer Stabilisierung der Umsatz- und Ertragssituation und damit zu einer Verbesserung der Eigenkapitalrentabilität.

Eines unserer vorrangigsten strategischen Ziele ist es, unser versicherungstechnisches Portefeuille optimal zu diversifizieren. Heute gilt die Hannover Rück als bestdiversifizierter Rückversicherer der Welt. Der Vorteil unserer Portefeuille-Diversifizierung liegt in der Stabilisierung von Prämien- und Gewinnentwicklung. Durch eine breitere Aufstellung ist das Portefeuille insgesamt weniger anfällig für negative Entwicklungen in seinen einzelnen Segmenten. In einem gut diversifizierten Portefeuille können verschiedene, voneinander unabhängige Ertragsquellen Belastungen in einzelnen Sparten untereinander ausgleichen und somit ein positives Gesamtergebnis sicherstellen.

Reduzierung des Eigenkapitalbedarfs

Dieser Risikoausgleich innerhalb des Portefeuilles reduziert außerdem den Eigenkapitalbedarf der Gesellschaft, denn das Eigenkapital eines Rückversicherers dient nicht zuletzt zur Abdeckung der rückversicherten Risiken. Schwankungen im Schadenverlauf (Volatilität) erschweren die Planbarkeit der Unternehmensergebnisse. Hier greift wieder die Diversifizierungsstrategie: Ist ein Segment innerhalb des Portfolios von außergewöhnlichen Schadenbelastungen betroffen, können die weiteren Geschäftssegmente diese Belastungen ausgleichen. Die Höhe des benötigten Eigenkapitals für die Sicherung der übernommenen Risiken wird somit verringert.

Optimierte Profitabilität

Darüber hinaus senkt ein geringerer Eigenkapitalbedarf die Kapitalkosten und optimiert somit die Profitabilität des Unternehmens. Eine effizientere Eigenkapitalstruktur verbessert außerdem die Eigenkapitalrentabilität: dem erwirtschafteten Gewinn steht weniger Eigenkapital gegenüber, so dass die Eigenkapitalrendite steigt.

Dass wir unsere Diversifizierungsstrategie mit ihren beschriebenen Vorteilen erfolgreich umsetzen, lässt sich an unseren überdurchschnittlichen Eigenkapitalrenditen im Verlauf der letzten zehn Jahre ablesen.

4. Strukturierte Deckungen: Was ist darunter zu verstehen?

Wir bieten individuelle Lösungen zum ganzheitlichen Schutz von Ertrag und Bilanz

Nichttraditionelle Lösungen stellen eines der strategischen Handlungsfelder der Hannover Rück. Ziel ist, mit Hilfe strukturierter Deckungen sowohl die Erträge unserer Kunden zu stabilisieren, als auch deren Bilanzen zu schützen. Dieser Aspekt gewinnt zunehmend an Bedeutung, da (besonders börsennotierte) Unternehmen einem immer stärkeren Druck ausgesetzt sind, sowohl kurz- als auch langfristig Ergebnisstabilität vorzuweisen. Auf Grund der unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden werden strukturierte Lösungen in der Regel sehr individuell auf die jeweilige Situation zugeschnitten und stellen kein Standardprodukt dar.

Begrenzung des Risikotransfers

Wir entwickeln für unsere Kunden Lösungen, die ihnen eine Selbstfinanzierung ihrer Risiken ermöglichen, so dass sie diese mit ihren Gewinnen und Verlusten in den eigenen Büchern halten können - verbunden mit einer gleichzeitigen Absicherung elementarer Gewinn- oder Bilanzkennzahlen (z. B. Dividenden). Es wird somit sichergestellt, dass eingetretene Schäden, obwohl sie der Kunde selbst trägt, nicht zu einer negativen Beeinflussung seiner finanziellen Schlüsselgrößen führt. Im Gegensatz zum vollständigen Risikotransfer der traditionellen Rückversicherung steht bei der Finanz-Rückversicherung somit eine Begrenzung des Risikotransfers im Mittelpunkt. Ein Mittel zur Selbstfinanzierung und Begrenzung des Risikotransfers sind z. B. Mehrjahresverträge, die es dem Erstversicherer ermöglichen, ein Risiko über eine Zeitperiode hinweg selbst zu finanzieren.

Beispiel Spread Loss-Vertrag

Ein Beispiel zur Verdeutlichung: Erstversicherer (EV) und Rückversicherer (RV) schließen einen Spread Loss-Vertrag, also einen Vertrag, der über einen Mehrjahreszeitraum Risiken eines definierten Bestandes abdeckt. Die Laufzeit wird auf fünf Jahre festgelegt, die RV-Deckung beträgt 50 Mio. EUR. pro Schadenereignis - allerdings dürfen die an den RV weitergegebenen Schäden innerhalb der Gesamtlaufzeit nicht 75 Mio. EUR übersteigen. Hierfür zahlt der EV eine jährliche RV-Prämie von 10 Mio. EUR. Die vom RV übernommenen Schäden dürfen während der Laufzeit nie die an den RV zum Schadenzeitpunkt bereits gezahlten kumulierten RV-Prämien übersteigen. Falls am Ende der Laufzeit die vom RV übernommenen Schäden geringer sind als 90 % der an ihn gezahlten kumulierten RV-Prämien, erhält der EV eine Gewinnbeteiligung.

Verminderte Volatilität

Dieses Beispiel zeigt nur eine mögliche Vertragsgestaltung. Es verdeutlicht jedoch einige der oben genannten Grundzüge, wie die Begrenzung des Risikotransfers sowie das Prinzip der Mehrjährigkeit. Sowohl Erst- als auch Rückversicherer haben Vorteile aus einer solchen Vertragskonstruktion. Für den Erstversicherer ist es attraktiv, mit konstanten und vorhersagbaren Rückversicherungsprämien kalkulieren zu können. Zudem ist diese Form der Rückversicherung für ihn günstiger als eine traditionelle Deckung. Trotzdem sichert er sich gegen negative Effekte eines großen Schadenereignisses in den einzelnen Bilanzjahren ab und erhält bei gutem Schadenverlauf eine Gewinnbeteiligung. Für den Rückversicherer erbringt eine solche Konstruktion zunächst ein stabiles und vorhersagbares Geschäftsvolumen über einen Mehrjahreszeitraum. Wichtiger sind jedoch die Risikobegrenzung und die daraus resultierende verminderte Volatilität des Schadenverlaufs. Hierdurch fordert dieser Vertrag ein geringeres Ausmaß an Eigenkapital zur Absicherung des versicherungstechnischen Risikos.

Überdurchschnittliche Eigenkapitalrendite

Besonders der im Vergleich zur traditionellen Rückversicherung niedrigere Eigenkapitalbedarf ist ein sehr attraktives Merkmal, das zu den überdurchschnittlichen Eigenkapitalrenditen dieses Segments führt.

5. Schaden-Rückversicherung: Wie kann dieses Segment profitabel gestaltet werden?

Aktives Zyklusmanagement sorgt für nachhaltige Profitabilität des größten Geschäftsfelds der Hannover Rück

Bereiche der Schaden-Rückversicherung

Die Schaden-Rückversicherung umfasst die traditionelle Rückversicherung von Sach- und Haftpflichtrisiken sowie innovative strukturierte Deckungen. Unter dem Begriff der Schaden-Rückversicherung wird somit die Rückversicherung aller Risiken verstanden, die nicht aus dem Lebens-, Kranken- oder Unfallbereich stammen. Dieses Geschäftsfeld ist am Bruttoprämienvolumen gemessen das größte Segment der Rückversicherung; allerdings ist sie auch das schwierigste Geschäftsfeld.

Zyklische Marktentwicklung

Der Grund hierfür liegt in ihrem zyklischen Geschäftsverlauf. Ein Zyklus kann folgenden Verlauf zeigen: Ausgelöst durch ein oder mehrere Geschäftsjahre mit hohen Schadenbelastungen ziehen sich einige Rückversicherer aus dem Markt zurück, da sie keine Möglichkeit mehr sehen, dieses Geschäft profitabel zu betreiben. Dies führt zu einer Verknappung der marktweit angebotenen Rückversicherungskapazität. Das bedeutet, dass der für Rückversicherungsschutz zu zahlende Preis ansteigt. Die im Markt verbliebenen Rückversicherer profitieren somit von diesem Zyklusaufschwung (harter Markt). Allerdings lockt die nunmehr positive Marktentwicklung neue Rückversicherer an, so dass nach einigen Jahren die angebotene Kapazität die Nachfrage wieder übersteigt. Dies bedeutet demzufolge einen Preisverfall und den Beginn eines Zyklusabschwungs (weicher Markt).

Großschadenereignisse

Doch nicht nur auf Grund der zyklischen Marktentwicklungen ist die Schaden-Rückversicherung ein schwierig zu prognostizierendes Geschäftssegment. Insbesondere können auch Großschadenereignisse wie Naturkatastrophen oder vom Menschen ausgelöste Groß- und Größtschäden den Erfolg dieses Geschäftssegments stark beeinflussen.

Fokussierung auf profitables Geschäft

Schaden-Rückversicherung kann jedoch trotz ihres zyklischen Geschäftsverlaufs besonders in einem harten Markt sehr profitabel betrieben werden und einen entscheidenden Beitrag zum Geschäftserfolg liefern. Mit unserem aktiven Zyklusmanagement konzentrieren wir uns in der zyklischen und volatilen Schaden-Rückversicherung noch gezielter auf profitable Marktsegmente. Wichtig ist uns einzig und allein die Profitabilität des Geschäfts. Prämienvolumen oder Marktanteile gehören nicht zu unseren strategischen Kenngrößen. In der Schaden-Rückversicherung erhöhen wir unseren Marktanteil nur in einer von guten Marktkonditionen gekennzeichneten Aufschwungphase (harter Markt), wohingegen wir ihn im Zyklusabschwung (weicher Markt) wieder reduzieren.

Konsequente Diversifizierung

Um die Auswirkungen des zyklischen Verlaufs der Schaden-Rückversicherung auf unser Gesamtportefeuille soweit wie möglich zu begrenzen, verfolgen wir außerdem eine konsequente Diversifizierungsstrategie.